Nachgefragt bei Barbara Bierach
Opfer von Gewalt und Kriminalität brauchen besonderen Schutz, den sie in unserer Gesellschaft nicht immer automatisch bekommen. Und wie in Fällen häuslicher Gewalt sowie bei Sexualdelikten kann bereits die Entscheidung, sich an die Behörden zu wenden, eine unüberwindbare psychische Hürde darstellen. Der 1976 vom Fernsehjournalisten Eduard Zimmermann („Aktenzeichen XY …ungelöst“) in Mainz gegründete WEISSE RING bietet da allen Betroffenen eine Anlaufstelle, bei der vertraulich und unbürokratisch geholfen wird. Der WEISSE RING ist heute mit mehr als 400 Außenstellen in 18 Landesverbänden bundesweit präsent und der Ansprechpartner in Sachen Kriminalitätsprävention und Opferhilfe. Barbara Bierach, Leiterin der Außenstelle in der Kreisstadt, gibt im Gespräch Einblicke in die Arbeit beim WEISSEN RING.
Wie müssen sich unsere Leser die Arbeit des WEISSEN RINGS vorstellen? Was passiert, wenn etwa ein Opfer häuslicher Gewalt heute bei Ihnen anruft, wie gehen Sie vor?
Barbara Bierach:
Wir vereinbaren mit dem Opfer einen persönlichen Gesprächstermin, wenn möglich beim Opfer zuhause. Wenn das nicht möglich ist, treffen wir uns mit dem Opfer z. B. in einem Café. Unsere Hilfe besteht in erster Linie aus menschlichem Beistand, das heißt wir hören dem Opfer zu und prüfen dann, welche weiteren Schritte zur Unterstützung nach der Straftat sinnvoll sind. Das kann z. B. eine Rechtsberatung durch einen Anwalt, psychologische Hilfe durch Trauma-Opferzentren, Antragstellung nach dem Opferentschädigungsgesetz sein. Wir bieten unsere Begleitung zu Terminen bei Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht an, geben Hilfestellung im Umgang mit weiteren Behörden und vermitteln Hilfen anderer Organisationen. Wir versuchen den Opfern einen Ausweg aus der belastenden Situation aufzuzeigen.
Der WEISSE RING ist ein gemeinnütziger Verein, der sich aus den Mitgliedsbeiträgen, Spenden u. ä. finanziert. Ist eine Mitgliedschaft vonnöten, um im Fall der Fälle die Hilfe des WEISSER RING in Anspruch nehmen zu können?
Barbara Bierach:
Nein, eine Mitgliedschaft ist nicht erforderlich; wir helfen jedem, der Opfer einer Straftat geworden ist. Wir betreuen bei Diebstahl, Einbruch, Betrug, Cyber-Mobbing, Stalking, häuslicher Gewalt, sexuellem Missbrauch, Körperverletzung und kümmern uns um Angehörige von Mordopfern.
Unter welchen Delikten leiden die Opfer besonders? Mit was haben Sie es im vergangenen Jahr vor allem zu tun gehabt, und schlägt sich der Trend zu Cyber-Mobbing in den sozialen Netzwerken auch bei der Arbeit des WEISSEN RINGS nieder?
Barbara Bierach:
Im vergangenen Jahr nahm die Körperverletzung in engen sozialen Beziehungen einen hohen Anteil ein, daher wendeten sich insbesondere Opfer häuslicher Gewalt hilfesuchend an den WEISSEN RING. Das Internet wird zunehmend für kriminelle Machenschaften missbraucht und dadurch betreuen wir auch häufiger Opfer von Cyber-Mobbing oder des so genannten Love- oder Romance-Scammings, eine moderne Form des Heiratsbetrugs im Internet. Senioren, die leider trotz umfänglicher Präventionsarbeit seitens der Polizei und des WEISSEN RINGS, immer häufiger Opfer von Betrügern werden, sprechen uns leider noch viel zu selten an.
Wie viele Menschen arbeiten für die Außenstelle Groß-Gerau? Ist es noch möglich, sich direkt im Verein zu engagieren, oder sind Sie ausreichend besetzt?
Barbara Bierach:
Zurzeit sind wir 4 Mitarbeiterinnen und 1 Mitarbeiter in der ehrenamtlichen Opferhilfe. Wir suchen stets neue Kolleginnen und Kollegen, die mit Engagement Kriminalitätsopfern helfen möchten. Besondere berufliche Voraussetzungen sind nicht erforderlich, die nötigen Kenntnisse werden auf Seminaren der WEISSEN RING Akademie vermittelt. Wir würden uns freuen, wenn sich unser Team bald vergrößert. Gerne können sich Interessenten bei mir telefonisch melden und sich informieren. Meine Telefonnummer lautet 01520 7534 655.
Interview mit freundlicher Genehmigung von Christian Schmitt, WIR-Magazin, Ausgabe 279. Den Originalartikel finden Sie hier.